Am 6.10.2003 reisten wir dann endlich in Laos ein. Bis zur Friendship Bridge, der Grenzbrücke, waren es von Khon Kaen drei Stunden Zug- und 10 Minuten Tuk-tuk-Fahrt gewesen. Vor der Brücke gab’s einen Ausreisestempel in den Pass, mit dem Bus ging’s ans andere Ende der den Mekong überspannenden Brücke. Dann wieder ein Stempel – und schon waren wir drin. Aber immer noch 22km von Vientiane entfernt und ein Bus war nicht zu sehen. Dafür jedoch ein ganzer Haufen Tuk-Tuk-Fahrer nebst Gefährten. Wir warteten und warteten, langsam sahen wir ein, das wohl kein Bus kommen würde. Wir überredeten einen der Motorrad-Rikscha-Lenker, uns für 2 Dollar in die Stadt zu fahren. Nachmittags um 3 hatten wir es geschafft. Erschöpft setzten wir unsere 20 kg schweren Backpacks in unserem fensterlosen Zimmer um Mixok-Guesthouse ab. Für die nächsten 5 Tage war dies unser Zuhause, da die anstrengenden Reisetage Andreas mit seiner Durchfallerkrankung wieder etwas zurückgeworfen hatten.
Schlendert man durch die Strassen Vientianes, hat man nicht das Gefühl, in einer Hauptstadt zu sein. Die Stadt ist klein und übersichtlich, es gibt keine Hochhäuser oder Straßenbahnen. Einer Strasse merkt man den französischen Einfluss besonders an. Sie ist vierspurig, kerzengerade und in der Mitte zieren Straßenlaternen mit je drei runden Lampen, in gleichen Abständen wie Perlen an einer Schnur auf einer Strecke von 1,5 km, das Bild. Am Ende der Strasse steht ein Gebilde aus verziertem Beton, nähert man sich diesem Ding auf der dem Champs-des-Elysee nachempfundenen Strasse, fragt man sich, ob dieses Gebilde dem Arc de Triumphe gerecht wird oder eine kitschige Hochzeitstorte aus tausendundeiner Nacht dafür Modell gestanden hat. Wie auch immer, die Aussicht von oben war klasse, beinahe alle schönen Punkte der Stadt waren von dort zu sehen, wie z.B. der goldenen Chedi eines eindrucksvollen Tempels, das Markttreiben und natürlich der Mekong, die Lebensader des Landes. In Ermangelung befahrbarer Strassen und Pisten wird ein Grossteil aller zu transportierenden Güter, Viecher und Personen über den Mekong und einige andere Flüsse an ihren Bestimmungsort gebracht. Viele Dörfer, vor allem im dschungel- und bergreichen Norden sind von der Belieferung durch vorbeifahrende Boote mit Nahrungsmitteln, Medikamenten usw. abhängig.
goldener Chedi in Vientiane …. im selben Tempel
Übrigens, die französischen Kolonialherren hatten noch etwas ganz Besonderes bei ihrem Abzug aus Laos hinterlassen – den Rechtsverkehr. Zum ersten Mal in diesem Jahr fuhren wir auf der rechten Seite, irgendwie verwirrend. Monate hatte es gedauert, bis wir beim Überqueren der Strassen in Australien, Thailand, Malaysia etc. in die richtige Richtung schauten – und jetzt das.
Eher zufällig wohnten wir einer ganz besonderen Darbietung bei. Bei Betreten eines Tempels fiel uns gleich die rege Betriebsamkeit aller Anwesenden Laoten auf. Die vorherrschende Situation brachte allerdings Betriebsamkeit als Nebenwirkung mit. Ein Fernsehteam war anwesend, dessen Anweisung jeder im Tempel Folge leistete. Ein Orchester mit einheimischen Instrumenten – Zupf – und Blasinstrumenten – nahm Aufstellung vor dem Tempel. Eigentlich saßen die in weiße Anzugjacken gehüllten Musiker, so dass man von Platz nehmen reden müsste. Gegenüber saßen ungefähr 15 junge Mädchen zwischen 8 und 14 Jahren alt. Die Mädchen trugen bunte, exotische Trachten, die Haare waren kunstvoll frisiert und die Gesichter geschminkt. Vor dem Kamerateam Aufstellung nehmend, hüpften sie dann gequält auf dem siedendheißen Steinboden auf und ab.
Der gequälte Blick wich einem konzentrierten, sobald die Musik des Orchesters einsetzte. Mit beinahe perfekten synchronen Bewegungen der Hände und Füße präsentierten die jungen Damen einen exotischen, farbenfrohen Tanz, der die Aufmerksamkeit des Kamerateams allemal rechtfertigte. Zweimal mussten sie den Tanz zur Freude aller anwesenden Falangs (westl. Ausländer) wiederholen, bis die Aufnahme saß. Die Mädels wurden nach dieser Anstrengung in der Mittagshitze mit mehreren Eimern Wasser auf die verbrannten Füße für ihre Darbietungen belohnt. Längst hatten alle ihre Kameras gezückt. Stolz hielten die jungen Damen ihre strahlend schönen Gesichter in jede Kamera, die auf sie gerichtet wurde.
Tanzen im Tempel – eine farbenfrohe folkloristische Performance
Häufig nimmt man die Dinge, denen man zufällig begegnet, viel objektiver und intensiver in sich auf, als wenn man irgendetwas geplant hatte und gewisse Erwartungen hegt. So auch hier, der Morgen war einfach grandios.
In Erwartung de Festes zum Ende der Regenzeit war in Vientiane auf der Strasse entlang des Mekong ein großer, bunter Markt aufgebaut worden. Musikboxen übertrafen einander in Größe und Lautstärke. Das Dröhnen der Bässe ließ selbst die so sanften und langweiligen asiatischen Schnulzen bedrohlich erklingen. An einigen Straßenständen wurde klebriger Reis mit Kokosraspeln in Bambushölzern verkauft, an anderen Stellen gab es Grillwürste, Fleisch- und Eierspieße und darüber hinaus viele Obst- und Gemüsetheken. Kunst, Kitsch, Klamotten, Schönheitsprodukte, Spielzeug und Getränke jeglicher Art rundeten das reichhaltige Sortiment ab.
Der Knüller allerdings waren die Glücksspiele. Nicht wie zu Hause, wo es Losbuden, Tombolas und dergleichen zu solchen Anlässen gibt, nein, hier wird ganz anders gezockt.
Der Gewinn ist immer flüssig. Es geht um Cola, Saft, Essig, Bier, Pflanzenöl, Laowhisky. Quell des Lichts ist das Glücksrad. Ist der Einsatz bezahlt, wird der Pfeil in der Mitte gedreht. Glück und Pech haben jetzt Namen – Wasser oder Bier. Der gezahlte Einsatz ist sicher höher als der Preis für eine Flasche Wasser, aber auch wesentlich geringer als der für eine Flasche Bier. Gewonnen wird genau das, worauf der Pfeil letztendlich zeigt. Die Lao lieben dieses Spiel, ebenso wie das Wurfspiel, die zweite Variante. Die geworfene Schüssel muss beides, Flasche und die darunter liegenden Pappschachteln bedecken, dann gibt es was zu trinken. Manchmal sogar vermeintlich echter Johnny Walker. Der Einsatz ist geringer, die Gewinnchance allerdings auch. Selten schafft es jemand, die entfernt liegenden teuren Pullen mit der Schüssel zu erobern. Es hatte am Anfang ein wenig gedauert, bis wir verstanden hatten, warum hunderte Flaschen hinter einer Abzäunung auf dem Boden ausgerichtet herumlagen, als ob jemand ein Kunstwerk damit hatte schaffen wollen.
Erwähnenswert war in jedem Falle noch ein sehr netter Abend mit Rink und Ilona, einem Paar aus Vriesland/NL, die leider schon einen Tag später in Richtung Vietnam weiter zogen. Vielleicht trifft man sich wieder – warum nicht.
Kip – so heißt die Währung in Laos. Münzgeld gibt es nicht, nur Scheine, 500-, 1000-, 2000-, 5000-, 10000- und 20.000-Kip-Scheine, letzterer hat einen Wert von EURO 1,65. Somit befinden wir uns wieder im erlauchten Kreis der Millionäre (90 EURO = 1.080.000 Kip), zumindest zeitweise. In der Hauptstadt deckten wir uns reichlich mit Kips ein, denn hier sind Wechselkurse günstig, außerdem gibt es nur wenige Wechselstuben an anderen Orten, von Geldautomaten ganz zu schweigen.
Der Weg zur kambodschanischen Botschaft, etwas außerhalb von Vientiane, war lang, staubig und schweißtreibend. Die schwüle Hitze machte uns zu schaffen, genauso wie der Sonnenbrand, der auf unseren Armen und Gesichtern glühte. Als wir glaubten, wir würden niemals dort ankommen, weil die Botschaft möglicherweise verlegt worden ist, wies uns ein Schild vor einer weißen Villa den Weg. Im Inneren war es kühl, sauber und der Singsang buddhistischer Gebetsmühlen war zu vernehmen. Ein freundlicher Khmer gab uns die Formulare, wir füllten sie langsam aus – die kalte Klimaanlage tat wirklich gut – klebten jeweils ein Passphoto auf Antrag und Zeitschrift (Die Fotos sind mindestens 3 Jahre alt, Sandra hat lange, rote Haare darauf, aber darum scherte sich niemand, wir hätten auch Tierfotos nehmen können) bezahlten die Visa gebühr in Höhe von USD 20,– je Antrag und viel zu schnell standen wir wieder auf der heißen, staubigen Strasse.
Zurück beim Guesthouse beschlossen wir, beim Abholen der Pässe auf ein Tuk-tuk zu vertrauen. So geschah es dann auch, zwei Tage später. Schon beim Einsteigen zeigte uns der Fahrer stolz den hinter einer Sitzbank verstauten Vorrat an Opium und bot uns den Stoff zum Kauf an. Dass wir dankend ablehnten, irritierte ihn ein wenig, anscheinend kommt das nicht so häufig vor. Kopfschüttelnd stieg er auf sein motorisiertes Dreirad und düste los. Zwischendurch griff er das Thema noch mal auf, ließ es nach erneuter Ablehnung jedoch dann sein.
Der Bus rollte langsam durch die Außenbezirke der Stadt. 20:10 Uhr zeigte die Uhr über dem Fahrersitz an. Endlich konnten wir Vientiane verlassen, der Durchfall war passee und wir würden die ganze Nacht hindurch einem weiteren Traum entgegenfahren. Dieser Traum hat die Überschrift „Auf dem Mekong nach Kambodscha“. Nicht sehr viele Reisende wählen diesen Weg – aber einige – und wir wissen nicht, was uns erwartet. Aber dazu später.
Unser nächster Stopp war Pakse. Die Geschichte ist mit wenigen Worten erzählt: Ein schönes Hotel (nicht unseres) – ein mässig aufregender Wasserfall. Gestern sind wir dann ins Bolovens-Plateau gefahren, hinaus in die wunderschöne Natur Laos‘.
Der Ort – Thad Lo – liegt am Rande des Bolovensplateau, etwa 2 km von der Hauptstrasse von Pakse nach Saravane entfernt. diese 2 km lange Schotterpiste mussten wir mit Sack und Pack zu Fuß zurücklegen. Horden von Stieren, Hühnern, Ziegen und Schweinen kündigten den Ort schon einige Hundert Meter vorher an. Alle Gebäude sind aus Holz, die Strassen staubig, aber alles ist sauber. Schon auf der 2,5 Sunden langen fahrt von Pakse war uns aufgefallen, dass nirgendwo vor den Hütten am Wegesrande – so einfach sie auch waren – Müll herumlag. Ein wirklich seltenes Bild in Südostasien.
Thad Lo ist von Wäldern umgeben, die sich bis hinüber nach Vietnam erstrecken. Die Sauberkeit sowie die Freundlichkeit der Leuten wirkten schon sehr einladend, der Wasserfall, der praktisch von jedem Haus im Ort zusehen ist, bildete nur noch das I-Tüpfelchen und ließ den Ort in höchste Kategorien aufsteigen. Kraftvoll fiel auch er, kerzengerade auf einer Breite von etwa 25 Metern. Eine Holzbrücke davor behinderte die Sicht vom Eckplatz des Sapysath-Restaurants mitnichten, nein, vielmehr verschmolzen Brücke und Wasserfall zu einem herrlichen Motiv für die Kameras der vielleicht 10 Gäste im Ort.
In der Umgebung sahen wir noch weitere Wasserfälle sowie einige Stammesdörfer, deren Bewohner noch die alten, animistischen Bräuche pflegen. Wird jemand krank, opfert man ein Huhn, hilfst nicht, muss eine Ziege dran glauben. Erst am Ende dieser Kette steht ein Mediziner. Sie glauben an den Gott des Waldes, an den des Berges und der Seen. Die Kinder machten große Augen, als sie die sechs Mann (und Frau) starke Truppe Weißer ins Dorf marschieren sahen. Tomomi, eine junge Japanerin, lockte die Kinder an, indem sie auf einer Holzflöte spielte. In allen Dörfern bot sich dem Betrachter ein ähnliches Bild: Kinder passten auf ihre jüngeren Geschwister auf, die Frauen droschen des Reis und die Herren der Schöpfung spielten Schach oder Dame – it’s a mens world.
War die Natur in Australien und Neuseeland das Fotomotiv Nr. 1, so sind es in Asien die Gesichter der Menschen. Kinder, Reisbauern, Bäuerinnen, Stammesfrauen in traditionellen Kleidern, Alte mit runzligen Gesichtern und tiefen Furchen in der von der Sonne gegerbten Haut.
21.10.2003 Don Det Island – Mr. Tho’s Bungalows, Hängematte
Herrlich, diese Insel. Und die Hängematte, ganz aus Stoff. Unter uns fließt der Mekong, der größte Strom Südostasiens. Irgendwo in China entspringt er, fließt durch Burma, Thailand, Laos, Kambodscha, um sich in Vietnam als geteilter Fluss in einem breiten Delta mit der südchinesischen See zu vereinigen.
Eine tolle Zeit war das hier, wirklich. Die 4000-Inseln-Region, wie diese Gegend genannt wird, ist sicher einzigartig. An dieser Stelle, wo der Mekong eine Breite von mehreren Hundert Metern erreicht hat, befinden sich eine nicht zu klärende Anzahl (4000????) kleinster, kleiner, größerer und großer Inseln im Fluss. Eine der größeren und bewohnten ist Don Det Island. Hier, wo Strom noch größtenteils Autobatterien entnommen wird, hat das Leben Rhythmus und Tempo des träge südwärts strömenden Gewässers angenommen. Besonders unter den Reisenden. Einige scheinen mit Superglue an den Hängematten geklebt worden zu sein, bei anderen hat man sogar das Gefühl, dass Körper und Hängematte im Begriff sind, zu verschmelzen. Man genießt die angenehmen, faulen Tage auf einer langen Reise. Essen, Trinken und Bungalows sind ultrabillig, mit ein bisschen Anstrengung und gutem Hunger konsumiert man zu zweit um die 10 EURO pro Tag.
Gesichter des Mekong – vier Tage, vier Bilder!
Endlich auch mal wieder ein Ort, an dem man nette Leute trifft, nach vielen Tagen der Zweisamkeit tut das wieder richtig gut. Internationaler geht’s kaum. Abends sitzen Australier, Briten, Franzosen, Neuseeländer, Belgier, Japaner und sogar Amis mit uns am Tisch, um die leckeren laotischen Gerichte mit Lao-Bier und Lao-Lao (Lao-Whisky, Reis-Mekong-Fusel, fürchterlich, weiß Sandra inzwischen) hinunterzuspülen. Dann geht’s manchmal sogar richtig hoch her. Ansonsten wandert man um die Insel oder durch die Reisfelder, um in irgendeinem Mini-Restaurant auf einen Bananen Schoko- oder Kaffee Shake einzukehren oder den besten Spot für den Sonnenuntergang zu suchen. Man lauscht dem Rattern der Motoren der Longtailboote ( Langschwanzboote Südostasiens, Bug und/oder Heck laufen spitz zu und sind nach oben gebogen, der Motor überträgt die Kraft auf eine Schraube, die sich am Ende eines 2 Meter langen „Rührstabes“ befindet, der ins Wasser gehalten wird. Das ganze sieht aus, wie ein überlanger Mixer oder Quirl) auf dem Mekong und den dröhnenden Klängen eines überlauten Fernsehers irgendwo in der Umgebung. Zurzeit sind vielleicht 30 Gäste auf der Insel, die meisten der 200 strohgedeckten Bungalows steht leer.
Die letzten 5 Tage sind irgendwie dahin geflossen, ohne wirklich weltbewegende Ereignisse. Mit kleinen Ausnahmen: Am Südende der Nachbarinsel, Don Khone, die über eine Brücke zu erreichen ist, befinden sich gigantische Stromschnellen. Auf einer Breite von ca. 400 Metern fällt der Mekong mal 10, mal 20 Meter ab, das Wasser sammelt sich in mehreren Pools, aus denen es in weiteren Kaskaden hinabrauscht. Von überall her strömt Wasser, man spürt die unglaubliche Kraft des einen halben Kilometer stromaufwärts noch so träge dahin fließenden Stromes – Naturgewalt pur. Eine zweite Stromschnelle findet man etwa 20km südlich, kurz vor der kambodschanischen Grenze. Diese sind nicht so breit, wie die ersten, dafür umso kraftvoller, da dass Wasser aus drei Richtungen in nur ein Becken fällt, wo es zu einem reißenden Strudel wird. Bei einer Bootsfahrt entlang der kambodschanischen Grenze sahen wir einige Irrawaddy-Delfine, leider wagte sich die seltene Spezies nicht nah genug an unser Boot heran, so dass ein genaueres Studium nicht möglich war.