30.10.2003 Phnom Penh/Kambodscha
Zusammen mit zwei Neuseeländern, einem Ami und Antoine, dem Franzosen standen wir am 22.10. morgens um zehn vor dem Grenzhäuschen, der inoffiziellen Grenze zwischen Laos und Kambodscha. Zwei Stunden waren bereits vergangen, in welchen wir versucht hatten, ein Boot für die einstündige Fahrt nach Stung Traeng in Kambodscha zu chartern. Bis uns jemand einen verbindlichen Fahrpreis nannte, wollten wir keinen Ausreisestempel in unserem Pass haben. Denn wer einmal Laos verlassen hat, kommt an dieser Stelle nicht mehr wieder hinein. Mit einem Ausreisestempel wären wir gezwungen, jeden Preis, den sie nennen, für das Boot zu zahlen. Die Bootseigner – sie nennen sich „the company“ und gleichen eher einem Mafioso-Clan – wissen das und arbeiten eng mit den korrupten Zöllnern zusammen, die dabei auch mitkassieren. Ohne Stempel im Pass stellen sie sich taub oder verstehen kein Wort englisch. Nach etwa 2,5 Stunden gaben wir vor, einen Transport für die Weiterfahrt zu einem offiziellen Ausreisepunkt zu suchen. „The company“ sah ihre Mäuse gefährdet und war plötzlich bereit, über den Fahrpreis zu verhandeln. Nach langen Diskussionen einigten wir uns auf einen Fahrpreis von 10 US-Dollar pro Person. Ein großer Schritt war getan.
Am Grenzhäuschen lächelt uns der Beamte mit einem Stempel in der Hand an. 5 Dollar Stempelgebühr verlangt er frecherweise. Nein – dass war uns zu viel, sagten wir ihm. Einen Dollar könnte er haben. Schlussendlich einigten wir uns auf 2 Dollar pro Nase.
Das mühsam gecharterte Boot kreuzte zunächst den etwa 150 Meter breiten Mekong und hielt an der inoffiziellen Grenzstation des Königreiches Kambodscha. Die sehr netten Grenzbeamten gaben sich ohne zu Murren mit einem „Eintrittsgeld“ von ebenfalls 2 Dollar zufrieden. Unsere Pässe erhielten wir mit einem offiziellen Einreisestempel zurück – wir waren drin!!!! Mit einem wahnsinnigen Tempo raste unser Schnellboot über den Mekong. Die Sitze waren so eng, dass unsere Knie beinahe die Ohren berührten. Der Motor dröhnte so laut, dass wir dankbar für unsere Ohrenstopfen waren. Unsere Köpfe waren mit viel zu großen Sturzhelmen geschützt. Teilweise hatten wir das Gefühl, als glitten wir mit einem Hovercraft über eine gewaltige Eisfläche. Immer wieder rauschten wir an kleinen, Baumbewachsenen Inseln vorbei oder wichen Bäumen aus, die mehrere Meter unter Wasser standen. Vereinzelt standen Holzhütten mit Blatt gedeckten Dächern am Ufer. Auch wenn wir sehr verkrampft saßen, hätte die Fahrt ruhig eine Stunde länger dauern dürfen.
Die erste kleine Stadt im neuen Land hieß, wie bereits erwähnt, Stung Traeng. Für Reisende hat dieser Ort eigentlich keine Anziehungspunkte und dient nur als Zwischenstopp. Dennoch schlenderten wir interessiert über den kleinen Markt und wurden gleich von freundlichen Menschen- teils lächelnd, teils kichernd – mit einem Hello begrüßt. Vor allem die Kinder hatten Spaß. Mit strahlenden Augen warfen uns die kleinen Jungs und Mädchen immer wieder Kusshände zu. In diesem Ort, genau wie in nahezu allen Städten Kambodschas, gibt es weder geteerte Strassen, noch gibt Abwassersysteme oder Straßenbeleuchtung. Müll ist allgegenwärtig.
Beim Frühstück auf einer Restaurant Terrasse, mit Baguette und Kaffee, stand urplötzlich eine kleine, alte Frau hinter uns, aus ihrem sonnengegerbten, ledernen Gesicht strahlte uns ein Lächeln entgegen. Dann hielt sie ihr Produkt, welches sie uns zum Kauf empfahl, unter die Nase. Aufgeschnittene, platt geklopfte Affenfelle am Stock, Die Umrisse des Kopfes waren genau zu erkennen. Ein wenig erschrocken, aber dennoch freundlich lehnten wir ab. Die kleine Frau blieb jedoch hartnäckig. Weitere 5 Minuten stand sie nun schimpfend hinter uns. Später erfuhren wir von Einheimischen, dass die Affenfelle ein altes Heilmittel gegen Magenprobleme seien – der Affe wird wie eine Wärmeflasche um den Bauch gebunden, ob es hilft???
Wo ist der Bus, der nach Ban Lung fährt?? fragen wir an diesem Morgen einen englisch sprechenden Khmer. Er deutet in eine Richtung, aber einen Bus sehen wir nicht. Stattdessen etwas anderes: Einen ziemlich rostigen 4-Wheel-Drive-Pick Up. Nicht größer als ein gewöhnlicher Geländewagen mit Ladefläche. Zusammen mit Ben, dem Ami, Antoine und einem irischen Paar begutachten wir das Gefährt. im Inneren (Auf dem Beifahrersitz und der sehr engen Rückbank) sitzen bereits 6 Personen. Die Ladefläche ist bereits mit einigen Säcken junger Kokosnüsse, Reis und mehreren Kisten Fischsoße beladen. Links und rechts vorne war noch gerade soviel Sitzfläche vorhanden, das zwei von uns ausreichend Platz gehabt hätten. Unsere fragenden Gesichter beobachtend meinte der Fahrer: „No Problem“ und begann, unsere großen, schweren Rucksäcke auf die Kokosnüsse zu stapeln. Mit einem Strick wurde alles festgezurrt – fertig. Dann aber immer noch die Frage: „Wohin mit uns?“. Wieder „No Problem“. Er deutete auf die beiden Sitzflächen und meinte drei hier und drei dort. Am Ende teilten sich jeweils zwei einen Sitz, Trina, die Irin, und Sandra machten es sich zwischen Backpacks und Kokosnüssen bequem. Aber dies war noch nicht die endgültige Beladung. Nach etwa 5 Minuten Fahrt kletterten 5 weitere Khmer auf den Stapel Rucksäcke und Kokosnüsse. Zwei von ihnen fanden mit ihren Knien Halt in Sandras und Trinas Rücken. Diese Art der Massage war hart bis brutal – na ja, zumindest war sie gratis.
Ban Lung liegt 160 km östlich von Stung Traeng. Die ersten 50 km auf der unbefestigten, staubigen Strasse kamen wir sehr zügig voran. Der Rest der Strecke war übersät von Schlaglöchern und extrem tiefen Schlamm. Einige Mal wurde angehalten, um die Batterie mit Wasser nach zu füllen. Mehrmals mussten wir absteigen, damit der Pick Up leichter durch ein Schlammloch kam. War das Loch zu groß, bahnte sich der Fahrer einen Weg durch den Dschungel. Wir passierten kleine Häusergruppen aus Holz, Bambus und Blättern. Die Bewohner winkten uns zu oder riefen ein Hello oder Bye-bye hinterher. Im Ganzen war die fünfstündige Fahrt ein Riesenspaß!!!
Wer etwas von der Ursprünglichkeit und Schönheit Kambodschas mitbekommen möchte, ist in der Ratanakiri Provinz, in der auch Ban Lung liegt, genau richtig aufgehoben. Hier im Nordosten gibt es dichten Dschungel, Wasserfälle, ein glasklarer und angenehm erfrischender Kratersee und viele Naturvölker, alles befindet sich in der näheren Umgebung der Stadt. Mit dem Motorrad erkundeten wir diese nähere Umgebung und waren immer wieder über die herzliche Freundlichkeit der sehr einfachen und armen Menschen überrascht. Besondere Freuden bereitete es ihnen, sich den kleinen Bildschirm unserer digitalen Kamera anzusehen, den wir ihnen hinhielten, nachdem wir Fotos von ihnen oder ihren Kindern geschossen hatten. Sie bedankten sich mehrmals dafür, wenn sie sich selbst auf dem kleinen Monitor erkannten.
An einem heißen Tag begleiteten wir einen 17-jaehrigen, gut englisch sprechenden Jungen vom Stamm der Tampoon in sein Heimatdorf, auf einen traditionellen Friedhof sowie einige Kilometer durch Dschungel und Reisfelder. Er erklärte uns im Versammlungshaus des Dorfes einige Stammesrituale und Bräuche. Wird z.B. ein unverheiratetes Mädchen schwanger, wird der schuldige junge Mann dazu verdonnert, die Dorfbewohner durch die Gabe von je einem weißen und einem schwarzen Ochsen, zwei Schweinen und zwei Hühnern, gnädig zu stimmen. Kein billiger Spaß, denn alleine ein Ochse kostet bereits die für die Menschen hier horrende Summe von 50 US-Dollar. Wir lernten essbare Blätter und Blüten kennen. Als er jedoch einen Käfer fand, ihn wie eine Erdnuss schälte und uns zum Verzehr anbot, lehnten wir ab.
Über einen schmalen Weg durch eine Kautschukplantage erreichten wir den kleinen Friedhof. Über den Särgen haben die Hinterbliebenen je nach Reichtum und Ansehen größere oder kleinere auf Stelzen gestützte Dächer errichtet. Die der Reichen sind besonders schön und kunstvoll verziert. Auf den Särgen stapeln sich Schüsseln, Teller, Tassen, Tongefässe – auf einem lag sogar ein rostiges Fahrrad. Alles Gegenstände, die der Verstorbene in seinem täglichen Leben benutzte.
Da es einige Tage nicht geregnet hatte, waren die Schlammlöcher beinahe ausgetrocknet. So dauerte die Rückfahrt nach Stung Traeng nicht einmal 4 Stunden.
PHNOM PENH:
Die Strassen Phnom Penhs gleichen nicht wirklich denen einer Groß- oder gar Hauptstadt, nur etwa die Hälfte sind gepflastert, die andere Hälfte sind staubige, Müllbeladene Schotterwege voller Schlaglöcher. Zwischen den ganzen alten Häusern findet man vereinzelte moderne, auffallend schöne Bauten, die irgendwie überhaupt nicht ins Stadtbild passen wollen. 9 Stunden hatte die Fahrt in die Hauptstadt gedauert, 6 Stunden davon hatten wir auf dem Mekong verbracht, die weiteren 3 auf einer gut befahrbaren Strasse. Man, tat die Dusche nach dieser Strapaze gut!!!!
Der allgemein schlechte Zustand der Stadt ist ein Relikt aus der Zeit des Terrorregimes der Khmer Rouge unter Pol Pot und der nicht enden wollenden Buergerkriege in der Zeit danach. Pol Pots Plan war es, das Land in einen autarken, unabhängigen Agrarstaat zu verwandeln. 1975 wurden sämtliche Bewohner der Städte deportiert und zur Zwangsarbeit auf dem Lande herangezogen. Die Städte blieben leer und verlassen. Von 1975-1979 wurden alle Menschen gefoltert und getötet, die dem Traum vom autarken Agrarstaat gefährlich werden konnten – vor allem Menschen, die gebildet waren. Schon wer eine Brille trug oder eine Fremdsprache beherrschte, war ein potentieller Feind. 5857 Schulen, 796 Krankenhäuser, Laboratorien, 1968 buddhistische Tempel und 104 Moscheen wurden systematisch vernichtet – mitsamt den Lehrern, Doktoren und Mönchen!!! Sogar das Geld wurde abgeschafft, unglaublich!!!
15.000 Menschen, darunter 2000 Kinder, wurden in einem geheimen Gefängnis in Phnom Penh unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten, gefoltert und ermordet. Die Leichen wurden in Massengräbern verscharrt. Das Gefängnis – eine ehemalige Schule – erhielt den Namen S21, dient heute als Museum und ist ein Zeugnis der Grausamkeit.
Man sieht die Zellen, sie sind nicht größer als 1,5 qm. In anderen Räumen wurden bis zu 100 Personen, an engen Fußketten gefesselt, eingesperrt. Es war ihnen nicht erlaubt, zu reden oder ohne Erlebnis die Sitz- oder Liegeposition zu verändern. Verstießen sie gegen die Regeln, gab’s Peitschen- hiebe oder Stromstösse.
Vierpersonenzelle in Tuol Sleng Massenzellen (gemalt)
In zwei Räumen hängen nur Fotos. Fotos aller damaligen Gefangenen. Man sieht die Angst und das Elend in ihren Augen – entsetzlich.
Die Foltern reichten vom Fingernägel ausreißen bis hin zum Sauerstoffentzug unter Wasser. Babys wurden ihren Müttern entrissen und auf brutalste Weise vor deren Augen umgebracht. Das Museum hat den Namen Tuol Sleng. Neben den Zellen, Photos, Gemälden, Hinrichtungsprotokollen, Lageranweisungen und Folterinstrumenten sind Vitrinen mit einer dreistelligen Anzahl Totenköpfen sowie Photographien der Foltern und der Massengräber ausgestellt. Uns drehte sich der Magen um….
In den 4 Jahren unter Pol Pot und seinen roten Khmer wurden 1,7 Millionen Menschen in Kambodscha umgebracht oder starben in Haft, das waren 20% der zu dieser Zeit in Kambodscha lebenden Menschen.
Makaber – eine Landkarte Kambodschas aus Totenschädeln
Ein weiteres, immerwährendes Problem entstammt auch aus dieser Zeit, aber auch aus der Zeit davor. Landminen. Die Landminen sind ein Nebeneffekt von insgesamt 25 Jahren Buergerkrieg bzw. politischer Instabilität. Dazu kommen noch 500.000 Tonnen von unexplodierten Bomben, die die Amerikaner zur Zeit des Vietnamkrieges abgeworfen hatten. Zwischen 100 und 300 Explosionsunfälle gibt es monatlich in diesem Land, nur die Hälfte der Opfer überlebt – verstümmelt. Eine Statistik besagt, dass einer von 236 Bürgern eine Gliedmasse durch eine Explosion verloren hat. An jeder Straßenecke in Phnom Penh sieht man einen dieser unglücklichen Menschen. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt durch Betteln.
Das Regime Pol Pots wurde gestürzt, als Ende 1998 nach einigen Überfällen auf grenznahe Gebiete die Vietnamische Armee ins Land eindrang und die roten Khmer in nur zwei Wochen in die Grenzregion zu Thailand vertrieb.
Unglaublich allerdings ist, dass keiner der Verantwortlichen dieser Massenvernichtung jemals zur Verantwortung gezogen wurde. Im Gegenteil, Hun Sen, einer der Anführer der roten Khmer, ist heute Premierminister des Königreiches Kambodscha. Genauso wenig wurden Pol Pot, Ta Mok (Der Metzger) und Kang Kek Ieu (Duch) je vor ein Gericht gestellt. Pol Pot starb 1998 unter Hausarrest stehend (seit 1997) einen natürlichen Tod. Viele seiner Gefolgsleute leben heute irgendwo auf dem Land und gehen gewöhnlichen Tätigkeiten nach. Jeder kennt ihre Vergangenheit, jeder weiß um ihre Verbrechen gegen das Leben und die Menschlichkeit, dennoch ist es auch fast 25 Jahre danach noch immer zu keiner Anklage gekommen. Hun Sen tut verständlicherweise sein Möglichstes, um die Bestrafung der Schuldigen von damals (er selbst inklusive) zu verhindern.
Bestraft wurden nur die kleinen Fische im Teich, Gefängniswärter, Lageraufseher und Folterknechte. Die meisten von ihnen weisen jegliche Verantwortung für die Gräueltaten von sich und delegieren die Schuld auf die hohen Kader. Vor allem verweisen sie darauf, dass sie nur Befehlen gehorchten und im Falle einer Weigerung selbst in S21 oder einem anderen Gefängnis ihr Leben verloren hätten.
Nach Wochen der Abgeschiedenheit ist Phnom Penh der geeignete Ort, um die Errungenschaften der Technik wie z.B. Fotolabors, Internet und Internet-Telefon zu nutzen. Und die Homepage zu pflegen. Ansonsten ist die Stadt nur laut, chaotisch, schmutzig und arm an Highlights. Ein paar Tempel vielleicht. Aber davon werden wir in Kürze eine Menge ganz alter, unglaublich prachtvoller Exemplare sehen.
Denn morgen fahren wir nach Angkor Wat………….
1.11.2003 Siem Reap (Angkor Wat)
Hier sind wir sicher, verdammt sicher. Solche Wachtierchen hatten wir bisher noch nie. Eindringlinge werden es schwer haben, besonders, wenn sie es von der Rückseite her versuchen. Man könnte sagen, dass Tokyo-Guesthouse ist das bestbewachteste in Südostasien, eine richtige Festung. Mehr als tausend Zähne und eine zehntausend Kilopond (ist das die richtige physikalische Größe???) Kieferdruck. Im eingemauerten Hinterhof lagen tatsächlich Krokodile, echt schräg. Genauer gesagt, dicke, gefräßige, thailändische Salzwasserkrokodile, etwa 60 Stück. Der junge Eigentümer des „Tokyo“ berichtet uns stolz, dass er mit den Reptilien Handel betreibt. Dreitausend Dollar kostet ein Weibchen, vier- bis fünftausend ein Männchen, je nach Alter und Größe. In der Regel enden sie als Handtaschen, Damen- oder Herrenschuh oder als Steak in einem Feinschmeckerrestaurant. Die Zähne werden irgendwann an Lederbändern aufgereiht an Touristenhälsen baumeln. Aber zunächst mal sichern sie das rückwärtige Gelände.
Ganz besondere Wachtierchen
Obwohl das nicht wirklich notwendig ist. Im Grunde ist man und man’s Eigentum hier sicher. Das Personal passt auf, dass niemand hereinkommt, der hier nichts zu suchen hat. Wir haben uns es ohnehin angewöhnt, unsere Wertsachen immer mitzuschleppen.
Erst gestern sind wir in Siem Reap angekommen, die Fahrt hierhin war zum Teil sehr holprig, da nicht alle Teilstücke gepflastert waren. man musste schon ein bisschen vorgebeugt sitzen, damit man die Schläge, verursacht durch tiefe Schlaglöcher bei gnadenloser Fahrweise, besser abfedern konnte. Bei steifer, aufrechter Sitzweise zieht so ein Stoss eine Schmerzwelle vom Steiß bis in den Hinterkopf nach sich. Unfassbar, bis auf die Gegend um die Hauptstadt gibt es kaum durchgehend geteerte Strassen. Besonders schwierig wird die Situation in der Regenzeit, wenn die Schotterstrassen zu Schlammpisten werden. In der Trockenzeit hingegen sieht man nichts. Außer Staub. Der bildet mit der Zeit kleine Klumpen in Hals< Nase und Rachen, da er durch die Fenster- und Türritzen des veralteten Busses dringt, der sich mühsam vorwärts Quält. Aber genug geflennt, ist schließlich unser Job.
Mit ihrer unerreichten Schönheit und Majestätisch verdienen die Tempel von Angkor ihren Ruf als eines der größten von Menschenhand geschaffenen Wunder dieser Welt. Der Bau der Tempel begann im 9. Jahrhundert, der Bauprozess dauerte etwa 600 Jahre, bis im späten 15. Jahrhundert der letzte Tempel fertig gestellt war. Sie sind die Relikte des einst mächtigen Khmer-Imperiums, welches sich auf der Höhe seiner Macht über die heutigen Territorien der Staaten Laos, Vietnam, Kambodscha, Thailand (zum Teil) bis hin zur malaysischen Halbinsel erstreckte. Nachdem die Könige Ende des 15. Jahrhunderts von Angkor ins heutige Phnom Penh übersiedelten, und dort ihre neue Hauptstadt errichteten, fiel ein Schleier des Vergessens auf Angkor Wat. Das Tagebuch des französischen Naturforschers Henri Mouhot, in welchen er die Tempel als besonders schön und sehenswert beschrieb (veröffentlich 1864), brachte weltweites Interesse an der alten Tempelstadt. Heute zieht es täglich Tausende von Reisenden, die zum Grossteil in klimatisierten Reisebus herangekarrt werden, zu den Tempeln. Schon lange vor dem Sonnenaufgang finden sich Menschen vor dem Haupttempel, dem Angkor Wat ein, um den Moment, in dem die Sonne über den Stupas hervorbricht, nicht zu verpassen.
Genau an dieser Stelle beginnt auch unser Bericht vom heutigen Tage.
4.50 Uhr. Dunkelheit. Im noch sehr schwachen Licht des anbrechenden Tages sehen wir die Stupas, schemenhaft als schwarze Schatten. Noch waren wir allein. Tatsächlich sind wir Deppen in unserem Übereifer viel zu früh aufgestanden. Oder vielleicht doch nicht?? Die Ruhe und das vereinzelte Zwitschern zu früh erwachter Vögel waren sehr angenehm. Wir blieben auf der Brücke, die über den Kanal führt, der Angkor Wat umringt, sitzen, atmeten tief durch. Der Tuktuk fahrer, den wir für den ganzen Tag angemietet hatten, spricht sehr gut englisch und ist sehr nett. 8 Dollar kostet er uns, 8 Dollar für einen ganzen Tag Arbeit. O.K, wenn wir in den Tempeln sind, kann er ein Nickerchen machen, aber so richtig klappt das auch nicht, da er immer ein Auge auf uns hält. Er ist sehr aufmerksam. Dennoch ist der Tageslohn hoch für einen Khmer, ein Landarbeiter verdient nur einen Bruchteil davon. Schon um 4.30 Uhr kam er zu unser „Krokodilfarm“, lud uns ein und tuckerte los.
5 Minuten saßen wir nun auf der Brücke, immer noch allein. Doch das Brummen der Zweitakt-Motoren vieler Tuktuks in der Nähe war bereits zu hören. Nach kurzer Zeit liefen schon die ersten kleineren Grüppchen an uns vorbei, auf den Eingang zu.
20 Minuten später kamen die Busse, einer nach dem anderen. Als wir kurz vor Sonnenaufgang Angkor Wat betraten, wartete bereits eine hohe dreistellige Anzahl Menschen auf das Erscheinen des roten Feuerballs.
Angkor Wat ist ein 213 Meter hoher Sandsteintempel und wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Er stellt das Universum aus der Sicht der Hindu-Kosmologie dar, fünf türme, von denen vier im Quadrat angeordnet sind und der fünfte sich genau in der Mitte befindet. Der mittlere Turm verkörpert Mt. Meru, von welchem aus der Hindu-Gott Vishnu das Universum erschaffen haben soll. Der Tempel erregte weltweites Interesse vor allem wegen seiner Steinreliefs. In ungewöhnlich detaillierter Form werden Epen und Legenden rund um Hindu-Götter, Dämonen, Schlangen und Kriegern durch in Stein gemeißelte Bilder erzählt. Angkor Wat beherbergt die wohl größte noch erhaltene Reliefserie der Welt.
Als die Sonne dann endlich aufging, waren wir und vielleicht noch 5 weitere Reisende zur Ostseite des Tempels hinübergewandert, da von dort aus mit der Sonne im Rücken bessere Aufnahmen von dem faszinierenden Tempel und seinen Stupas gemacht werden konnten.
Angkor Wat, kurz nach dem Sonnenaufgang
In den Sälen und Gängen von Angkor Wat kann man untertauchen, wenn man will. Die Reliefs befinden sich in den Gängen, die den Tempel umranden, auf der ersten und zweiten Ebene (Etage). Vom dritten „Stock“ hat man eine atemberaubende Aussicht auf den absolut symmetrischen Angkor Wat Komplex. Säulen stützen die schweren Steindecken auf der ersten Ebene, schwer zu begreifen, das alles noch relativ gut erhalten ist.Wir möchten hier nicht jeden Tempel beschreiben, den wir besucht haben. Zum einen wäre das für den Leser langweilig und für uns sehr schwierig, weil die Eindrücke zu vielfältig und noch frisch sind.
Erwähnenswert ist in jedem Falle noch die Terrace of elephants (Elefantenterrasse). Auf einer Länge von etwa 300 Meter sind lebensgroße Elephanten Figuren aus einer mehrere Meter dicken Mauer herausgemeißelt worden. Im ebenfalls sehr gut erhaltenen Bayon-Tempel schauen große, in die Steine der Stupas gemeißelte Gesichter in alle Himmelsrichtungen. Im Grunde ist es immer nur dasselbe Gesicht, das sich nur jeweils in Größe und Erhaltungszustand von dem anderen unterscheidet.
Die ca. 15 Tempel, die wir heute gesehen haben, liegen im Durchschnitt 2 km voneinander entfernt, so dass die Tour incl. Hin- und Rückfahrt nach Siem Reap etwa 40 km lang war. Beinahe jeder Tempel hatte seinen eigenen Zauber. Wir haben Bäume gesehen, die aus Tempelmauern zu wachsen scheinen, weil die Wurzeln die Tempelmauern umschließen und der Stamm tatsächlich erst oberhalb der Mauern beginnt. Überall vor den Tempeln formieren sich die jungen Händlerinnen in ihren Buden, sobald ein Bleichgesicht auftaucht. An den Ständen und Buden kann man Souvenirs, Postkarten, Essen und vor allem Erfrischungsgetränke käuflich erwerben.
Die jungen Frauen schrieen sich die Seele aus dem Leib, um ihre Konkurrentinnen von nebenan zu übertönen, wenn wir die Tempelstätten betreten oder verlassen wollten. Kinder kamen mit Armreifen, Karten, Spielzeug oder einem mit Kuli auf einem Notizzettel gemaltes Blumenbild.
Um 16.00 Uhr waren wir zurück, müde, erschöpft, aber voller positiver Eindrücke. Eigentlich gibt es hier noch mehr zu sehen. Rund um Siem Reap gibt es so viele Tempel, dass eine Woche gerade ausreichen würde, um alle zu sehen. Allerdings kostet ein Besuch der Angkor Tempel USD 20,– für einen Tag, USD 40,– für drei Tage oder USD 60,– für eine Woche. Ist ein bisschen übertrieben, wenn man Durchschnittseinkommen und Lebenshaltungskosten in Kambodscha als Maßstab hinzuzieht. Deshalb hatten wir uns für die Touristenvariante entschieden: Einen Tag von früh bis spät, so viele Tempel wie möglich. und um ehrlich zu sein, nach 15 (oder waren es doch 18) tollen Tempelanlagen hatten wir auch genug gesehen. Irgendwann merkten wir, dass unsere Aufnahmefähigkeit langsam Richtung Null tendierte und machten uns auf den Rückweg.
Das Kapitel Kambodscha endet morgen. Auf der wohl schwierigsten und grausamsten Buckelpiste des Landes werden wir mit irgendeiner bereiften Rostlaube der thailändischen Grenze entgegenschaukeln. Wir freuen uns schon, denn nach mehr als 30.000 km Reisen durch zwei Kontinente in diesem Jahr sind wir reif für die Insel. Unsere Insel……..